25. September 2022. Sonntags waren Juliana und ich immer in den Genuss eines besonderen Frühstücks gekommen. Ich ging stets Brötchen holen und wir frühstückten ausgelassen. Anschließend ließen wir uns auf dem Sofa nieder, genossen einen Kaffee mit aufgeschäumter Hafermilch und lasen entweder jeder für sich oder Juliana las mir Neuigkeiten aus der Region Hannover oder interessante Fakten aus Wikipedia vor.
Jedoch an diesem Sonntag verlief das Frühstück etwas anders. Die Sonne schien, während wir in der Küche saßen und Julianas neues Lieblingsessen, Spiegelei mit Baked Beans und Tomaten, genossen. Seit ihrer Rückkehr aus England neigte sie wieder vermehrt zu tierischen Produkten, besonders zu Eiern, wohl inspiriert vom leckeren englischen Frühstück.
»Sascha«, begann Juliana, und schon allein die Art, wie sie meinen Namen aussprach, ließ mich aufhorchen. Normalerweise nannte sie mich so nicht, wenn wir alleine waren. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie etwas Bedeutendes zu sagen hatte. »Emotional empfinde ich nichts mehr für dich«, fuhr sie fort.
Der Satz traf mich so unerwartet, dass ich das Kauen stoppte und sie einfach nur anstarrte, ohne zu wissen, wie ich reagieren sollte.
Nach einer längeren Pause, in der sie mich direkt ansah – nicht abgewandt oder ins Leere schauend – sprach sie erneut: »Ich habe mich entschieden, unsere Beziehung zu beenden.«
»Oh, wow, das kam unerwartet«, konnte ich nur erwidern.
Einige Sekunden später fiel eine Träne von meinem Auge auf meinen Teller.
»Juliana, ich dachte, wir wären beide Ökotanten. Wir versuchen immer, alles zu reparieren, bevor wir etwas Neues kaufen«, versuchte ich, die angespannte emotionale Situation mit einem scherzhaften Kommentar aufzulockern.
Juliana, die mittlerweile ebenfalls Tränen in den Augen hatte, konnte trotzdem lachen.
»Uns re Be…ung ist w...l nicht m m mehr zu re re p a rieren«, versuchte sie mit verheulter Stimme, mir etwas zu sagen.
»Was hast du gesagt?«, fragte ich kichernd nach, da ich die schluchzende, stotternde Juliana nicht richtig verstand. Sie putzte kurz ihre Nase und machte einen erneuten Versuch.
»Ich sagte, unsere Beziehung ist wohl nicht mehr zu reparieren.«
Ich wurde wieder ernst.
»Ja, wahrscheinlich hast du Recht.«
Es schien so unmöglich, einen Teil meiner Familie loszulassen.
»Juliana, ich denke, dass ich einen großen Teil dazu beigetragen habe, dass unsere Beziehung nicht mehr zu reparieren ist«, gestand ich.
»Wie meinst du das?«, fragte Juliana und wischte die Tränen weg.
»Ich habe dich in den letzten Jahren nicht aufrichtig geliebt.«
Ich senkte den Blick. Ein Moment der Stille folgte. Dann fuhr ich fort.
»Wenn ich dir in die Augen geschaut habe, habe ich nicht die Liebe gespürt, die ich gefühlt habe, als ich Mara ansah.«
»Ich habe keinen Drang verspürt, mit dir Zeit zu verbringen. Stattdessen arbeitete ich lieber an meiner Website.«
»Und wenn wir draußen in einem Café oder Restaurant saßen oder einfach in der Straßenbahn unterwegs waren, habe ich dir nie wirklich zugehört. Stattdessen habe ich lieber heißen Frauen in engen Leggings hinterhergeschaut.«
»Es war mir unangenehm, dich in letzter Zeit in der Öffentlichkeit zu umarmen oder Händchen zu halten. Es fühlte sich nicht ehrlich an.«
»Ich habe dich nicht einmal wirklich vermisst, als du in England warst.«
»Du hast es nicht verdient, so von mir behandelt zu werden, Juliana.«
Mittlerweile konnte ich durch meine tränenüberströmten Augen kaum noch etwas sehen. Die Tränen tropften auf meine Hose, direkt in den Schritt.
»Juliana, schau mal, ich habe mir in die Hose gemacht«, stand ich auf und zeigte auf den großen nassen Fleck auf meiner Hose.
Juliana weinte und lachte gleichzeitig.
Ich setzte mich neben Juliana auf den Boden und legte meinen Kopf in ihren Schoß, während sie mir durch die Haare strich. Wir sprachen bis in den Nachmittag hinein über unsere Beziehung, über das Gute und das Schlechte, über Dinge, die wir einander bisher nicht erzählt hatten. Es war ein schmerzhafter Abschied, als wir uns im Flur fest und lange umarmten.
»Tschüss, mein Schatz. Ich wünsche dir noch ein geiles Leben. Mit knallharten Champagnefeten …«, sang ich mit verheulter Stimme, eine Anspielung auf den Song von der Band Glasperlenspiel.
Juliana lachte.
»Tschüss, Saschi.«
Wir umarmten uns ein letztes Mal, und ich verließ die Wohnung. Im Treppenhaus blickte ich noch einmal zurück und winkte Juliana zu. Ein paar Stufen weiter tat ich es noch einmal. Juliana winkte zurück. Dann verlor ich sie aus den Augen.
Ich wischte mir mit dem T-Shirt die Tränen aus dem Gesicht, atmete tief durch und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Die Sonne brach durch die Wolken, als ich auf den Haupteingang des Hauptbahnhofs zulief. Gleichzeitig rieselte leichter Regen herab, doch er war so sanft, dass es keinen Grund gab, vor ihm Schutz zu suchen. Ich setzte mich draußen in ein Café, beobachtete die Menschen, die aus dem Bahnhof strömten, und genoss einen Latte Macchiato mit Hafermilch.
Die Traurigkeit in mir ließ nach, und tief in mir hegte ich die Hoffnung, dass wir nach Julianas Italienreise einen Neuanfang wagen könnten und uns ineinander verlieben würden. Doch ich wusste, dass es nicht so einfach sein würde, wie ich es in diesem Moment erhoffte. Der Tanz der Liebe mit Juliana endete heute nach sechs Jahren.
Erst jetzt, nachdem unsere Beziehung beendet ist, erkenne ich, dass Juliana möglicherweise so distanziert war, weil ich sie nicht aufrichtig als die Frau fürs Leben geliebt habe. Stattdessen habe ich mich egoistisch verhalten, indem ich in einer Beziehung blieb, nur um nicht allein zu sein. Dieses mangelnde vollständige Engagement für die Person führte dazu, dass ich ihr insbesondere in letzter Zeit nicht richtig zugehört habe und nur zustimmende Laute von mir gab. Selbst während der Zugfahrten oder in unserer Familienzeit saß ich lieber am Laptop oder Handy, anstatt die Zeit mit Juliana mit meiner vollen Aufmerksamkeit zu verbringen.