Das Ende meiner Computerspielsucht. Chronische Magenbeschwerden nehmen ab. Eine alte Begegnung manifestiert.

Im März 2022 ließen die unerträglichen Schmerzen endlich nach. Sodbrennen, Blähungen und Völlegefühl begleiteten mich aber noch bis Ende März. Die Hausärztin meiner Mutter beauftragte mich, ein Ernährungsprotokoll zu führen, um herauszufinden, ob meine Bauchbeschwerden mit meiner Ernährung zusammenhängen könnten. So begann ich vom 12. März bis zum 28. März meine Ernährung zu dokumentieren.

Zum Frühstück zwischen neun und elf Uhr aß ich meistens Toasts mit vegetarischen Aufstrichen wie Paprikaaufstrich, Mandelcreme, Schokoaufstrich oder Marmelade. Dazu gab es eine Tasse Kaffee oder etwas gegen Bauchbeschwerden, einen Fenchel-Anis-Tee. Zum Mittagessen nahm ich ein vegetarisches Gericht in der Mensa und gönnte mir nur gelegentlich einen Becher Pepsi dazu. Nach dem Essen gab es in der Cafeteria oft einen Kuchen als Nachtisch, begleitet von einem Becher Kaffee. Abends gab es meistens Toast mit Aufstrichen oder die Reste vom Mittagessen, das meine Mutter gekocht hatte. Die Beschwerden wie Völlegefühl, Blähungen, breiiger Stuhlgang und Sodbrennen traten eher am Nachmittag und Abend auf. Schmerzen traten nur an einigen Tagen nach dem Mittagessen auf, wie zum Beispiel nach dem Nudelauflauf und Bratkartoffeln.

In den letzten drei Tagen vor der Abgabe des Ernährungsprotokolls an meine Ärztin verschwand plötzlich das Sodbrennen, und das Völlegefühl trat nicht mehr bei jeder Mahlzeit auf. Dies teilte ich der Ärztin mit, und sie konnte nichts Kritisches an meiner Ernährung finden.

Eine Woche vor der Abgabe des Ernährungsprotokolls hatte ich eine Besprechung mit Prof. Jeckelmann bezüglich meiner Masterarbeit in seiner Arbeitsgruppe. Er schlug mir das Thema »Charge density waves in alternating spinless fermion ladders« vor. Dabei ging es darum, eindimensionale und zweidimensionale Ketten zu modellieren, die mit quantenmechanisch wechselwirkenden Teilchen ohne Spin gefüllt sind. Je nach Stärke der Wechselwirkung der Teilchen trat ein Phasenübergang auf, der numerisch ermittelt werden sollte. Dies machte ich mit der Programmiersprache »Python«. Es war eine komplexe Aufgabe, da der Phasenübergang nicht einfach numerisch zu bestimmen war. Trotzdem entschied ich mich für dieses Thema.


Ende März 2022. Als ich durch meinen LinkedIn-Feed scrollte, stieß ich auf den Abschnitt, in dem mir Profile von anderen Personen vorgeschlagen wurden. Nach einem kurzen Blick sah ich eine Gruppe von in Anzügen gekleideten Männern mittleren Alters, von denen ich niemanden kannte. Während ich weiterblätterte, fiel mir eine hübsche rothaarige Person auf. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich sie sofort: Es war Mara. Vor einigen Jahren hatte sie mich in der Universität zu meiner Erfahrung mit dem Schreiben auf dem Tablet interviewt – zu einer Zeit vor der Corona-Pandemie, als das Schreiben auf dem Tablet in der Uni noch nicht so verbreitet war wie heute. Schon beim Interview dachte ich, wie schön ihre zum Dutt geflochtenen roten Haare waren. Ich fantasierte sogar damals eine Weile lang davon, wie wir Sex hatten. Ich war in diesem Moment irgendwie überrascht, dass sie mir hier vorgeschlagen wurde.

Ich bewegte den Mauszeiger über den Button »Kontakt hinzufügen«. Ich zögerte. Warum sollte ich das tun? Würde sie meine Anfrage überhaupt akzeptieren? Nachdem ich meine Bedenken beiseitegeschoben hatte, spürte ich ein Kribbeln im Bauch, als ich die Kontaktanfrage abschickte. In der Vergangenheit hatte es immer eine seltsame Fügung gegeben: Jedes Mal, wenn ich intensiv über eine Person über mehrere Tage fantasierte, begegnete ich dieser Person ein zweites Mal mit Zeitverzögerung von einigen Wochen oder Monaten. Und nun, hier war ich wieder in einer ähnlichen Situation.

Ich telefonierte heute Abend mit Juliana, und sie erzählte mir, dass sie versucht, Zeit mit ihren neuen Kollegen zu verbringen, um nicht alleine zu sein. Ihre Airbnb-Unterkunft bei einer Frau mit einem fünfjährigen Kind erwies sich als kleines und recht ungemütliches Zimmer. In der Unterkunft herrschte ständiges Geschrei und Streit zwischen der Mutter und dem Kind - und das auch noch mit einem britischen Dialekt. Es ist verständlich, dass Juliana nach der Arbeit immer motiviert war, etwas in London zu unternehmen, wie beispielsweise den Besuch von Theatern und Museen.

Nach zwei Tagen, als ich mich erneut bei LinkedIn einloggte, fielen mir die roten Symbole oben in der Ecke auf. Hauptsächlich handelte es sich um eine Vielzahl von Jobvorschlägen, aber mitten in diesem Sammelsurium befand sich die Benachrichtigung, dass Mara meine Kontaktanfrage angenommen hatte. Ein kleines Glücksgefühl durchströmte meinen Körper. Als ich auf das Nachrichtensymbol klickte, bemerkte ich, dass Mara mir eine ausführliche Nachricht geschrieben hatte. Bevor ich damit begann, sie zu lesen, dachte ich, dass sie mich vielleicht fragen würde, ob wir uns kennen. Ich vermutete, dass sie mich möglicherweise schon vergessen hatte. Doch als ich anfing, die Nachricht zu lesen, spürte ich einen regelrechten Dopaminschub. Sie erinnerte sich noch an mich und war fasziniert von meiner Profilbeschreibung auf LinkedIn, in der ich von meinem Projekt universaldenker.org schwärmte und Werbung für mein bald erscheinendes Biografiebuch machte.

»Schickst du mir das Manuskript, sobald du fertig bist?«, fragte sie mich neugierig am Ende der Nachricht.

Ich antwortete ebenfalls ausführlich auf ihre Nachricht und bejahte ihre Frage. Von da an begannen wir regelmäßig über LinkedIn zu schreiben, bis sie kurz vor ihrem Urlaub an der Nordsee mir ihre Handynummer gab. Von diesem Zeitpunkt an tauschten wir über WhatsApp regelmäßig Sprachnachrichten aus, in denen wir uns über unsere alltäglichen Erlebnisse, Hobbys, Ziele und Träume austauschten.

Ich telefonierte mehrmals in der Woche mit Juliana, und mittlerweile hat sie sich gut in ihrer Arbeitsgruppe eingelebt und unternimmt regelmäßig etwas mit ihren Kollegen. Sie verabredete sich sogar mit einem indischen Arbeitskollegen, der früher seine Doktorarbeit in Hannover geschrieben hatte und in London zu Besuch war. Zusätzlich arbeitete sie eng mit einem chinesischen Masterstudenten namens Baihu zusammen. Baihu zeigte Interesse an Juliana, doch sie erklärte ihm, dass sie bereits in einer Beziehung war, woraufhin er sein Interesse zurückzog.

Ich erzählte Juliana auch von Mara und davon, dass wir uns gut verstanden und uns in einem Katzencafé getroffen hatten. Sie war begeistert, dass ich endlich auch etwas mit anderen unternahm und nicht mehr alles allein machte.


Das Jahr 2022 war das Ende meiner Computerspielsucht. Unbewusst und nach und nach habe ich immer weniger Computerspiele gespielt, vor allem seit ich Mara kennengelernt habe. Es war viel schöner, mit Mara zu schreiben und Zeit zu verbringen, als mich in die Welt der Computerspiele zu flüchten.

Weiterlesen